St. Briccius Wurmlingen

  

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Warum hat Wurmlingen ausgerechnet den Heiligen Briccius zum Schutzpatron gewählt und nicht etwa Martin von Tours, seinen Lehrmeister und Schutzpatron unserer Diözese?

 

Die Antworten sind vielfältig:

 

Dadurch soll eine Verbundenheit zwischen Martinus und Briccius zum Ausdruck kommen:
Der Legende nach war der Heilige Briccius von Tours ein Waisenknabe, der vom Bischof Martin von Tours vor dem Los eines Lebens in Armut oder gar dem sicheren Tod durch Hunger und Erfrieren gerettet und in Bischof Martins Kloster großgezogen wurde. Durch die Wahl des Heiligen Briccius von Tours, des Zöglings unseres Diözesanpatrons, zum Schutzpatron bringt die Kirchengemeinde also ihre Verbundenheit mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Ausdruck. Sie betrachtet sich als das Kind der Diözese, das von dieser gehegt, belehrt und versorgt wird und dann wiederum – wie der Heilige Briccius von Tours in späteren Jahren – diese Lehren auch selbst und mit demselben Pflicht- und demselben Verantwortungsbewusstsein an andere weitergibt.

 

Außerdem wird Briccius ohnehin häufig in Zusammenhang mit Martin von Tours gestellt. Er bildet dabei jedoch eher eine Art Kontrastbild zu diesem – Martin als der weise, in Demut und Armut lebende, gnädig verzeihende Lehrer und Briccius als der reumütige Sünder, der sich weigert, wie sein Lehrer auf Eigentum und Bedienstete zu verzichten und dem die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sehr wichtig ist; Martin als der häufig in Andacht zum Himmel blickende Heilige und Briccius als derjenige, der das albern findet und sich bei anderen darüber auslässt. Dabei wird auch ein Werk der Barmherzigkeit zum Ausdruck gebracht – dem zu vergeben, der sich einem selbst gegenüber nicht korrekt verhält, wie Martin von Tours Briccius von Tours vergeben konnte.

 

Dies ist also nicht nur ein Kontrastbild im Vergleich von zwei Heiligen, sondern auch eine Veranschaulichung dessen, wie sich die Kirche (bzw. das Haupt der Kirchengemeinde) ihren doch auch sündigen Mitgliedern gegenüber verhalten sollte, nämlich ihnen ihre Fehltritte zu vergeben, wenn sie Reue zeigen – selbst, wenn, wie bei Briccius von Tours, viele der Meinung sind, man solle diesen Unruhestifter verstoßen. Ja, manche vermuten sogar, diese zwei Heiligen hätten sich gegenseitig ergänzt und sich gegenseitig gebraucht, um sich zu dem zu entwickeln, was sie letztendlich geworden sind – so wie die einzelnen Kirchengemeinden und die Weltkirche sich gegenseitig brauchen, um sich zu dem zu entwickeln, was sie sind. Laut dieser Theorie habe Briccius mit seiner mondänen Art Martin ein wenig näher an die Welt herangezogen. Währenddessen habe Martin Briccius eher zu dem Dienst am Nächsten und dem Dienst am Göttlichen hingezogen. Selbst ihre Gedenktage (jeweils 11. November und 13. November) liegen sehr nah beieinander – eben weil ein so offensichtlicher Zusammenhang zwischen beiden Heiligen besteht. .

 

Eine andere Antwort könnte die Geschichte geben:

 

Als Martin von Tours prophezeite, dass Brictius sein Nachfolger als Bischof werde, fügte er hinzu, dass dieser aber viele Schwierigkeiten haben werde. Ähnlich verhielt es sich mit der Erbauung und Einweihung unserer Kirche im 19. Jh. Im 19. Jh. sahen sich die Kirchen – nicht nur die katholische – mit Problemen konfrontiert. Durch erstmals wissenschaftlich betriebene Archäologie und Darwins neu entwickelte und heiß diskutierte Evolutionstheorie begannen die Menschen, die bisher die Bibel wörtlich verstanden hatten, am Glauben zu zweifeln. Erstmals war es den Menschen in vielen Gegenden überhaupt erst möglich, derartige Zweifel zu äussern – dank der Französischen Revolution und der Erklärung der Menschenrechte, die nun die Freiheit des Glaubens gewährte. In diesem Kontext wäre es nur menschlich für die Kirchengemeinde, die eigenen Herausforderungen mit denen zu vergleichen, mit denen Bischof Briccius von Tours konfrontiert war.

 

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass man sich so leicht mit Briccius - vor allem in Zusammenhang mit seinem Verhalten gegenüber Martin von Tours - identifizieren kann:

 

Wir alle sagen selbst zu Leuten, die wir gern haben, manchmal Sachen, die wir später bereuen. Außerdem haben wir alle manchmal einen schlechten Tag, an dem uns die kleinste Kritik zum aus der Haut fahren bringt; keiner mag es, negative Kritik zu bekommen und wenn selbige aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt ist, sind wir sogar gekränkt. Briccius war der Meinung, Martin von Tours habe ihn nicht zu kritisieren oder zu befehligen, da dieser als Soldat im Heer gedient habe, in seinem Leben wenig Bildung genossen habe, in einer „barbarischen“ Gegend aufgewachsen sei und somit auch nicht frei sei von Sünde und Fehlern sei. Das ist doch genauso wie viele Leute heute ihre Fehler für harmloser halten, als die ihrer Mitmenschen oder sogar ihre eigenen Fehler gar nicht erst wahrnehmen, wohl aber die Fehler, Mängel und Schwächen anderer beschreien. Wie Briccius mit einigen Priestern und Diakonen über Martin von Tours spottete, ist das Verhalten anderer auch heute noch für viele ein beliebtes Gesprächsthema, obwohl man selbst doch weiss, dass das nicht nett ist, über andere zu tratschen. Vor allem aber fällt es vielen leichter, sich mit dem mondänen, an seinem Besitz hängenden, Genuss suchenden Briccius zu identifizieren, als mit dem asketisch lebenden Martin von Tours, der zudem (laut Briccius) auf befremdlich wirkende Weise häufig einfach nur dastand und andächtig zum Himmel schaute.

 

Und die Taten des Heiligen Briccius von Tours und der Wunsch, diese zu würdigen, werden sicher auch eine Rolle gespielt haben:

 

• Er baute Martin von Tours, seinem Lehrer und Vorgänger zu Ehren die erste Kirche in Tours – im Jahr 397 n.Chr., also gleich nach seiner Einweihung als Bischof.

 

Briccius• Nach der Verleumdung, Vater eines Kindes zu sein, bestand er gleich 2 Gottesurteile; er beschwor er das Neugeborene im Namen Christi, zu sagen, ob er der Vater sei – was es verneinte – und er trug glühende Kohlen auf seinem Mantel, der dennoch unversehrt blieb - wie auch eine Briccius-Darstellung in der Pfarrkirche Wurmlingen zeigt.

Beide Taten können als Beweis für sehr großes, unbedingtes Gottvertrauen gedeutet werden.

 

• Er verhielt sich Martin von Tours gegenüber zwar häufig nicht korrekt, bereute jedoch jede seiner Verfehlungen (selbst die kleinsten). Das macht ihn zu einer Art Vorbild für die Kirchengemeindemitglieder. Martin jedoch hielt treu an Briccius als Diakon und Mitarbeiter fest und entließ ihn nicht aus seiner Nähe.

 

Übrigens: Rund 160 Kirchen haben heute Briccius zum Patron, v. a. in Belgien, Deutschland und Frankreich. Frankreich und Südwestdeutschland waren dabei die ersten Länder, bzw. Landteile, in denen man ihn als Heiligen verehrte.

 

In Frankreich steht häufig vor einer ehrwürdigen Martinskirche 3 km entfernt eine Kirche mit dem Patrozinium des Hl. Briccius. So auch zwischen der früheren Martinskirche in Rottenburg-Sülchen und der Pfarrkirche St. Briccius in Wurmlingen.

 

Steckbrief 

 

Quellen:

 

Joachim Schäfer: Artikel Brictius von Tours, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon - https://www.heiligenlexikon.de//BiographienB/Brictius_von_Tours.html, abgerufen am 14. 9. 2021
Keller, Hiltgard: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Reclam, Ditzingen 1984
Manz, Dieter 2006: Die Wurmlinger-Gotteshäuser, St. Briccius im Dorf, St. Remigus auf dem Berg, Geschichte und Kunst, S. 38 - 64 – 64
Reuter, Hans Georg, Biographische Texte zu Martin von Tours, Trier 2019
Severus, Sculpius: „Vita Sancti Martini“, in: Vita Sancti Martini / Das Leben des Heiligen Martin: Lateinisch / Deutsch, Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag (Hrsg.), Stuttgart 2010

 

Da ich einige wenige Informationen aus Flyern zu kirchlichen Aktionen entnahm und andere mündlich erfuhr, konnten nicht alle Quellen berücksichtigt werden!

 

Doris Schlapansky